Charismatisch - Marianisch - Ökumenisch

Willibald Sandler

Bei den Besuchen der Gebetskreise fiel uns auf, wie verschieden ihre Ausrichtungen sind. Es gibt charismatische Gebetskreise, die sich ökumenisch orientieren und sich auf der Suche nach der vollen Kraft des Heiligen Geistes auch von pfingstlich-freikirchlichen Aufbrüchen anregen lassen. Und es gibt Gebetskreise, die sich auf die katholischen Reichtümer konzentrieren, mit eucharistischer Anbetung und Mariengebet. Manche Gebetskreise lassen sich ganz vom Rosenkranzgebet leiten und sind von der äußeren Form her überhaupt nicht als „charismatisch“ erkennbar. Trotzdem freuten sie sich über die Besuche aus dem CE-Leitungsteam. Nicht nur charismatische Gebetskreise sind froh über eine Vernetzung mit überregionalen Anregungen zur geistlichen Stärkung.

Grundsätzlich ist diese Verschiedenheit der Ausrichtungen nicht ein Problem, sondern eine Bereicherung. Seit Beginn des Christentums gab es verschiedenste Spiritualitäten, Orden und geistliche Bewegungen. Kein einzelner und keine einzelne Bewegung kann alle Schätze eines katholischen – und das heißt: allumfassenden – Christentums ausschöpfen.

„Es gibt verschiedene Gnadengaben, aber nur den einen Geist.Es gibt verschiedene Dienste, aber nur den einen Herrn. Es gibt verschiedene Kräfte, die wirken, aber nur den einen Gott: Er bewirkt alles in allen.“ (1Kor 12,4-6)

Und in der Fortsetzung heißt es:

„Jedem aber wird die Offenbarung des Geistes geschenkt, damit sie anderen nützt.“ (1Kor 12,7)

Das heißt, wir sind berufen, einander mit unseren Schätzen, die uns von dem einen Herrn verliehen sind, zu dienen. So war es schon seit Abraham: Gott beschenkt einzelne nie bloß zu ihrer eigenen Bereicherung, sondern damit sie mit dem Empfangenen anderen dienen, „zum Segen für alle Geschlechter der Erde“ (Gen 12,3). Wer das vernachlässigt, ist wie der Diener, der sein Talent im (eigenen) Boden vergräbt. Das Talent wird ihm weggenommen werden (Mt 25,28).

Diese Einsicht hat eine zweite Seite: Innerhalb des einen Leibs, der aus vielen Gliedern besteht, sind wir nicht nur zum Dienen und Geben berufen, sondern auch zum demütigen und dankbaren Empfangen.

„Das Auge kann nicht zur Hand sagen: Ich bin nicht auf dich angewiesen. Der Kopf kann nicht zu den Füßen sagen: Ich brauche euch nicht. Im Gegenteil, gerade die schwächer scheinenden Glieder des Leibes sind unentbehrlich.“ (1Kor 12,21-22)

Einander dienen und voneinander empfangen in dem einen Leib und dem einen Geist! Dieser Auftrag betrifft auch die charismatische Erneuerung, und zwar nach innen und nach außen.

Nach außen: Wir dürfen nicht einfach nur unter uns bleiben, denn wir sind berufen, uns als Salz in den ganzen Leib der Kirche hineinmischen zu lassen. Zum Beispiel in das Wirken der Pfarrgemeinden. Aber auch zu den Christen anderer Konfessionen und zu allen Menschen guten Willens, ob es nun Atheisten sind oder Esoteriker. Denn die Kirche als Leib Christi ist nicht sich selbst genug, sondern berufen, Salz für die Welt zu sein. Und auch im Verhältnis zur „Welt“, zu den Nichtchristen, geht es nicht nur um ein großzügiges Geben, sondern auch um ein dankbares, demütiges Empfangen. Überall dürfen wir mit „Elementen der Heiligung und der Wahrheit“ rechnen (Zweites Vatikanisches Konzil) und mit einem Wirken des Heiligen Geistes, der „weht, wo er will“ (Joh 3,8), um uns zu beschenken, zu reinigen und neu zur Umkehr zu führen. Das ist deshalb so, weil Gott die ganze Welt mit allen Menschen geschaffen hat und immer noch mit seinem Schöpfergeist durchweht. Die Sünde hat diese schöpfungsmäßige Heiligkeit beeinträchtigt und entstellt, aber nirgends ganz zerstören können.

Einander zu dienen und voneinander zu empfangen ist Gabe und Aufgabe für die charismatische Erneuerung auch nach innen, – angesichts der Vielfalt ihrer verschiedenen Ausrichtungen. Betenden, denen eine besondere Liebe zu Maria geschenkt ist, empfangen eine Gabe, die auch für die Ökumene gebraucht wird. Unter den Jüngern und Aposteln und dann in der Urkirche war Maria immer gegenwärtig, und zwar ohne jemals im Vordergrund gestanden zu sein. In ihrer innigen Verbindung zu Jesus und ihrer demütigen Bereitschaft von ihm zu empfangen verwies sie allein schon durch ihr stilles Dasein die anderen auf den einen Herrn. „Was er euch sagt, das tut!“ (Joh 2,5). Diese gemeinsame, betende Ausrichtung auf Jesus Christus gab der ersten Gemeinde trotz aller inneren Verschiedenheiten eine wunderbare Einmütigkeit (Apg 1,14; 2,46; 4,24; 5,12).

Diese Einmütigkeit ist durch die Sünde und den Satan bedroht. Paulus betonte so sehr die Einheit des Leibes, weil die Gemeinde von Korinth unter allen Gemeinden nicht nur die charismatischste, sondern zugleich die zerstrittenste war. Und dies, obwohl der Heilige Geist mit seinen verschiedenen Gaben nicht Zwiespalt, sondern Einheit schenkt, – indem er die Menschen zu dem einen und einigenden Christus führt (1 Kor 12,3).

Aber warum dann der ständige Streit unter den Charismatikern von der ersten Stunde bis heute? Jesus spricht vom Feind, der Unkraut unter den Weizen säte (Mt 13,25). Das ist bemerkenswert: Der Feind sät das Unkraut unter den Weizen und nicht irgendwohin. Innerhalb der Schöpfung Gottes, der alles geschaffen hat, gibt es nämlich keine Felder, die allein dem Teufel gehören würden. Wenn er will, dass das Seine wächst, dann muss er es wie einen Parasiten in die fruchtbarsten Teile des werdenden Gottesreichs einpflanzen. So wird es zum Sauerteig, der den ganzen Teig verdirbt (1 Kor 5,6), und auf diese Weise wird es groß. Dieses Unkraut besteht wesentlich aus Stolz, Gier und Angst. Ich schaue auf das, was bei mir oder in meiner Gruppe vorhanden ist. Wenn ich es zugleich als Gottes Gabe begreifen würde, dann könnte ich voller Demut für das Gute danken, und ich würde das Mangelhafte in vertrauender Bitte Ihm hinhalten. Wenn ich aber Gott aus dem Blick verliere und in eine vergleichende „Seitenblick-Mentalität“ verfalle, dann fühle ich mich durch das Positive bei den Anderen herabgesetzt (Angst), versuche aus eigener Kraft das Mangelnde zu erzwingen (Gier) und die anderen zu überbieten, damit ich sie mit meinen Vorzügen beschämen kann (Stolz).

Auf diese Weise wird auch die Vielfalt von ökumenischer und marianischer Spiritualität verdorben. Statt dass sie sich gegenseitig bereichern, kommt es zu Polarisierungen gegeneinander, die nicht Einheit, sondern Spaltung hervorrufen. Wenn etwa Christen peinlich-heimlich darauf achten, ob in einer Gebetsgruppe zu Maria gebetet wird oder nicht. Für die einen ist es nicht mehr katholisch, wenn es fehlt, für andere nicht mehr ökumenisch, wenn es vorkommt. Wenn so etwas passiert, dann ist nicht Maria der Spaltpilz, sondern das, was wir aus ihr gemacht haben, weil wir dem Feind Zutritt zu unserem Saatfeld gewährt haben (vgl. Mt 13,25). Maria selber war von Anfang an ökumenisch. Das war nicht nur in der Urkirche so, sondern auch bei der Entstehung der charismatischen Erneuerung. Diese war zugleich ökumenisch und marianisch geprägt.

Die katholische charismatische Erneuerung begann im Jahr 1967, als zwei Professoren und der Studentenpfarrer der katholischen Duquesne-Universität im US-amerikanischen Pittsburgh, Pennsylvania eine Sehnsucht entwickelten nach den Geistaufbrüchen in den Pfingstkirchen, von denen zunehmend in Büchern und Zeitschriften berichtet wurde. Deshalb besuchten sie einen freikirchlichen Gebetskreis, um hier die Gabe zu empfangen. Die Leiter des Gebetskreises beteten für die Besucher, folgten aber zugleich einem Impuls, ihnen dabei nicht die Hände aufzulegen. Es sollte klar sein, dass nicht sie ihnen – die Freikirchler den Katholiken – die Gabe des Heiligen Geistes vermittelt hätten, sondern der Heilige Geist selber. In der Folge veranstalteten die beiden Dozenten zusammen mit dem Studentenpfarrer und 25 Studierenden ein Einkehrwochenende. Die Gebete und Andachten an diesem Wochenende waren nicht nur zum Heiligen Geist, sondern auch stark auf Maria ausgerichtet. Patti Gallagher Mansfield, die als Studentin dabei war, berichtet dazu:

„Ich glaube, es war wichtig, dass unsere Aufmerksamkeit zu Beginn der Einkehrtage auf Maria gelenkt worden ist. Sie war bei der Verkündigung dabei, dass das Wort Fleisch werden solle. Sie war gegenwärtig bei der Geburt und brachte Jesus zur Welt. Sie war anwesend unter dem Kreuz, als unsere Erlösung gewonnen wurde. Sie war da zu Pfingsten, als die Kirche geboren wurde. In Gottes Plan war es notwendig, dass Maria ausdrücklich bei uns war, als wir an diesem Wochenende das souveräne Handeln des Heiligen Geistes erleben sollten. Die Kirchenväter nannten Maria die „Braut des Heiligen Geistes.“ Wie kann sie fehlen, wenn der Heilige Geist am Werk ist?“ (Mansfield, Wie ein neues Pfingsten, 70)

An diesem Wochenende erfuhren die Teilnehmenden eine gewaltige Geistausgießung, die zu einer geradezu explosionsartigen Ausbreitung der charismatischen Erneuerung über die ganze katholische Kirche führte. Von zahlreichen Bischöfen und von allen Päpsten wurde die charismatische Erneuerung mit großer Freude aufgenommen. Diese Offenheit beweist, dass das Geschenk einer Neuausgießung des Heiligen Geistes dem Wesen der katholischen Kirche zutiefst entspricht. Dieses göttliche Geschenk war nur möglich geworden, weil die katholische Kirche die Demut hatte, Eigenes von anderen zu empfangen.

In diesen Zeiten einer sinnlosen Polarisierung der Kirche zwischen konservativ und progressiv, zwischen weltoffen und romtreu, zwischen marianisch und ökumenisch ist es wichtig, dass wir uns neu den gottgeschenkten Anfängen zuwenden, um „die Gnade Gottes wieder zu entfachen“ (2 Tim 1,6). Zwar können wir das Feuer des Heiligen Geistes nicht aus eigener Kraft anzünden, aber das brauchen wir auch nicht. Denn allenthalben erfahren wir, wie der Heilige Geist selber die Flamme neu entfacht. Wir müssen nur den Mut und die Demut haben, um uns seinem Wirken mit der gleichen Offenheit zu überlassen wie in den Zeiten der Anfänge. Wie damals, dürfen und müssen wir auch von Christen empfangen, die nicht unseren „Stallgeruch“ haben. Und wir müssen und dürfen nicht die eigenen Schätze der katholischen Kirche vergraben. Es ist gut, wenn Menschen mit brennendem Herzen sich auch an Maria wenden und sich durch ihre Leitung und ihr Vorbild reinigen lassen. Ohne die anderen Christen auf ihre eigene marianische Spiritualität zu verpflichten, können sie auf diese Weise zu einer Ökumene der Herzen beitragen. So wie es für Patti Galagher war, die nach dem erfahrenen Wunder des Heiligen Geistes aus der Kapelle in ihr Zimmer zurückkehrte und ihre Dankbarkeit am besten mit dem Magnifikat ausdrücken konnte:

„Irgendwann in den frühen Morgenstunden wurden diejenigen, die noch in der Kapelle waren, ins Bett geschickt. Wenn man uns nicht gesagt hätte, wir sollten gehen – ich glaube, wir wären noch die ganze Nacht geblieben. Als ich auf meinem Zimmer war, konnte ich nicht schlafen, und so nahm ich unser Liederbuch und öffnete es irgendwo. Meine Augen fielen auf das Magnifikat, Marias Lobgesang. Von dem Augenblick an ist ihr Lied mein Lied geworden. Ich habe in diesen fünfundzwanzig Jahren nie mein Zeugnis gegeben, ohne einen Teil dieses wunderschönen Textes zu benutzen. Maria sagte:

‚Meine Seele preist die Größe meines Herrn

 und mein Geist jubelt über Gott, meinen Retter.

 Denn auf die Niedrigkeit seiner Magd hat er geschaut.

Siehe, von nun an preisen mich selig alle Geschlechter.

Denn der Mächtige hat Großes an mir getan, und sein Name ist heilig.

Er erbarmt sich von Geschlecht zu Geschlecht über alle, die ihn fürchten.

Er vollbringt mit seinem Arm machtvolle Taten:

Er zerstreut, die im Herzen voll Hochmut sind;

er stürzt die Mächtigen vom Thron und erhöht die Niedrigen.

Die Hungernden beschenkt er mit seinen Gaben

und läßt die Reichen leer ausgehen.

Er nimmt sich seines Knechtes Israel an und denkt an sein Erbarmen,

das er unsern Vätern verheißen hat,

Abraham und seinen Nachkommen auf ewig.‘ (Lk 1,46-55)

Ich sprudelte über vor Erstaunen und Bewunderung über das, was Gott in mir und meinen Freunden getan hatte. Wir waren die ‚Hungrigen, die mit guten Gaben beschenkt‘ worden waren. Ich nahm meinen Stift und unterstrich diese Worte. ‚Er erbarmt sich von Geschlecht zu Geschlecht über alle, die ihn fürchten.‘ Seine Gnade gilt auch dieser Generation, und dies wurde sichtbar in dieser dramatischen Ausgießung des Heiligen Geistes.“ (Mansfield, Wie ein neues Pfingsten, 80).

 

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