Die verwirrende Sprache der Esoterik
VISION 2000  -  1/2011

Gespräch mit einem Experten für „Neue Religiosität“ (P. Clemens Pilar COP)

 

Begriffe, die früher eine spezifisch christliche Bedeutung hatten, werden heute von esoterischen Weltanschauungen mit anderen Inhalten gefüllt.
Wird das zur Quelle von Verwirrung?

 

P. Clemens Pilar: Viele Christen schwimmen auf der Welle einer neuen Religiosität mit. Weil viele von ihnen so wenig im Glauben geschult sind, erkennen sie nicht, daß die Begriffe in unterschiedlicher Weise verwendet werden. Ein Beispiel ist der Christus-Begriff. Jesus Christus hat nämlich auch in der neuen Religiosität, die Elemente aus verschiedenen religiösen Traditionen zusammenmischt, eine Bedeutung neben anderen Religionsstiftern. Allerdings wird Er da nur als Lehrer gesehen, nicht als Erlöser. Er ist ein – sogar besonders erleuchteter – Lehrmeister, der zeigt, wie man einen Weg der Erlösung gehen kann. Aber Er ist nicht der, der den Menschen aus Sünde und Tod rettet. Dieser Meister bietet sich dann auch an, verschiedene religiöse Praktiken quasi zu taufen. Ein Beispiel: Im Yoga wird Jesus als der große Yogi beschrieben. Es gibt sogar ein Buch über „Jesus Yoga“. Und so gibt es ein Yoga der Seligpreisungen…

 

Was kann man sich darunter vorstellen?
P. Pilar:
 Da werden Körper?übungen aus dem Hata-Yoga genommen und, während man diese Übungen macht, betrachtet man Stellen aus den Seligpreisungen. Sich bei der Betrachtung des Wortes Gottes körperlich zu betätigen, mag vordergründig durchaus möglich sein. Aber man handelt sich damit den Yoga-Gedanken ein, daß der Mensch den Weg „von unten nach oben“ geht, sich also auf das Göttliche zubewegt. Aus dieser Sicht kommt es auf das Tun des Menschen an. Die christliche Botschaft ist jedoch, daß es primär auf das Tun Gottes ankommt: Gott wird Mensch, Er kommt dem Menschen entgegen. Da erkennt man, daß durch das Hereinnehmen von Elementen aus anderen Religionen in das Christliche, die Botschaft Christi ausgehöhlt wird. Genauer gesagt: Sie wird auf den Kopf gestellt.

 

Gibt es weitere Beispiele?
P. Pilar:
 Ja, die Meditation. Sie hat selbstverständlich auch in der christlichen Glaubenspraxis ihren Platz. Für uns Christen ist Meditation das Betrachten des Lebens Jesu als Antwort darauf, daß Gott gekommen ist. Man denke an die wunderbaren Schriften von Ignatius von Loyola, wo die Betrachtung des Lebens Jesu einen entscheidenden Stellenwert für die Unterscheidung der Geister hat. Weil Jesus da ist, kann ich Ihm im Gebet auch begegnen. Entscheidend ist da, daß das Tun Gottes zuvor kommt. Die östlichen und esoterischen Wege der Meditation werden als Methoden verstanden, durch die der Mensch von sich aus die Vereinigung mit dem Göttlichen erreichen kann. Demgegenüber weist ein römisches Schreiben aus dem Jahre 1989 darauf hin, daß man durch die Techniken der Meditation gewiß eine tiefe Seinserfahrung machen kann, Gottesbegnung ist aber immer ein reines Gnadengeschehen und nicht durch eine Methode des Menschen machbar.

 

Ist nicht auch das Wort „vereinigen“ doppeldeutig?
P. Pilar:
 Die Vereinigung mit Gott im Christlichen ist am besten mit den Bildern der himmlischen Hochzeit beschrieben: Bei dieser Vereinigung der Liebe bleibt Gott Gott und der Mensch Mensch. Es bleibt der Dialog. Auf den Wegen der neuen Religiosität ist die Vereinigung das Aufgehen im Göttlichen oder das Erkennen der eigenen Göttlichkeit. Fundamental ist auch der Unterschied in der Sichtweise, wie Gott in uns ist. Uns Christen ist gesagt, daß wir Tempel des Heiligen Geistes sind. Augustinus spricht davon, daß Gott uns innerlicher ist, als wir uns selbst zuinnerst sind. Und dennoch bleibt Gott ein Gegenüber. Mystikerinnen wie Katherina von Siena, die in der Welt gelebt hat, haben den Weg in die „innere Kammer“ gefunden: Sie begegnen Gott in ihrem Herzen. Jesus sagt ja, es werde eine Zeit kommen, in der man Gott nicht an einem bestimmten Ort anbeten werde, sondern „im Geist und in der Wahrheit“. Diese Stelle der Heiligen Schrift wird allerdings auch von der neuen Religiosität zitiert. Aber dort geht man von der Annahme aus, daß der Mensch mit Gott ident sei. Daher soll man auf dem Weg der Innenschau die eigene Göttlichkeit erkennen – und in Anspruch nehmen. Heuer ist ein Buch erschienen mit dem Titel: Du bist göttlich, benimm dich auch so.

Also göttliche Macht in der Reichweite von jedermann…
P. Pilar
: Ja. Da kommt die Vorstellung von Allmacht zum Ausdruck. Meistens geht es darum, auf der richtigen Energie-Ebene zu schwingen. Dann könne man alles haben, was man will.

 

Haben wir es also auch mit unterschiedlichen Vorstellungen vom Göttlichen zu tun?
P. Pilar:
 Tendentiell geht die neue Religiosität von einem apersonalen Gottesbild aus. Da ist der ganze Kosmos göttlich bzw. es gibt ein pantheistisches Gottesbild. Diese Vorstellung ist leider weit verbreitet: Vor Jahren hat eine Umfrage unter katholischen Jugendlichen ergeben, daß 43% an einen apersonalen Gott, eine kosmische Energie glauben. Es geht also in die Richtung: Gott ist Energie, ich bin eine göttliche Schwingung und stehe damit mit dem göttlichen Universum in Resonanz. In diesem Denken hat das Kreuz natürlich keinen Platz. Leiden muß nicht sein. Wer leidet, ist selber schuld. Er denkt eben nicht richtig. Der Ausweg: Man muß sein Denken ändern, die richtige Methode anwenden – und dann bin ich eben weder krank, noch arbeitslos, noch muß ich irgendwelche anderen Grenzen ertragen…
Jeder ist also für sein eigenes Heil verantwortlich. Wo es Rückschläge gibt hat er nicht die richtige Methode angewandt. Kann man das so sehen?
Das wirkt sich bis in die Gesellschaft aus. Wenn jeder für sein Glück und Unglück selbst verantwortlich ist, muß sich niemand mehr wirklich um die Probleme der anderen kümmern. Der Individualismus ist typisch für den Weg der Esoterik, der Egoismus in dem Sinn: Es kommt auf mich an. Es gibt keinen, der mich erlösen, der mir entgegenkommen und mein Leben ganz machen kann.


Woher kommt die Faszination dieser Ansätze?
P. Pilar:
 Da ist zunächst das Versprechen: Es gibt einen Weg zum Heil ohne Kreuz. Dazu kommt die Verheißung, es gäbe für alle Probleme einfache Lösungsmethoden. Das sind Lehren, die den Ohren schmeicheln, wie Paulus sagt. Ein weiterer Aspekt: Durch die Globalisierung lernen wir diverse religiöse Zugänge kennen. Verschiedene Religionen und Kulte existieren Tür an Tür. Menschen, die auf der Suche sind, begegnen diesem großen Angebot. Und so basteln sich viele eine „Patchwork-Religion“ zusammen.


Können Sie an einem Beispiel illustrieren, wie jemand in dieses Fahrwasser geraten kann?
P. Pilar:
 Ein krasses Beispiel für die Verwirrung, die sogar in der Kirche anzutreffen ist: Eine Frau interessiert sich für den Heilungsdienst. In ihrer Pfarre lernt sie das Reiki kennen und interessiert sich sofort dafür. Sie läßt sich ausbilden. Diese Ausbildung ist tat?sächlich jedoch eine rituelle Einweihung, was sie aber nicht erkennt. So wird sie Reiki-Heilerin in der Überzeugung, Heilung zu geben, sei ja sehr christlich. Auch Jesus habe geheilt. Mit besten Absichten wird sie da hineingezogen. Sie ist als Heilerin sogar recht erfolgreich. Viele wenden sich an sie. Als sie einmal Exerzitien macht, bekommt sie mit, daß sie eigentlich weiße Magie betreibt. Schlagartig wird ihr klar: Da muß ich raus – und sie sagt der Reiki-Praxis ab. Später gründet sie Gebetsgruppen, beginnt für Kranke zu beten und sich im christlichen Heilungsdienst zu engagieren.


Was kennzeichnet den Unterschied der beiden Zugänge?
P. Pilar
: Reiki – der Kurs kostet etwas – gibt vor, daß man durch Initiation für eine göttliche Kraft geöffnet wird. Dann könne man nach eigenem Willen göttliche Kraft geben. Man kennt die Methode: Der Mensch wird Herr über diese Kraft. Auf sein Tun kommt es an. Im christlichen Heilungsdienst bin ich nicht Herr über göttliche Kraft. Ich bitte Gott um Sein Eingreifen und bin bereit anzunehmen, was der Herr in Seiner Souveränität wirken wird.

 

Für Menschen, die den Weg der Selbsterlösung gehen, ist es wohl schwierig, aus dieser Sackgasse herauszukommen?
P. Pilar
: Die Geschichten sind sehr unterschiedlich. Manche stehen einfach an. Sie merken, daß ihre Probleme nicht wirklich gelöst werden. Immer wieder tauchen neue auf. Manche kommen auf dem Weg der esoterischen und okkulten Praktiken schwer in Bedrängnis. Sie suchen dann Hilfe. Manche sind in den Sog der Esoterik geraten und machen eher nur an der Oberfläche mit. Begegnen sie jemandem, der von einem Weg des Glaubens Zeugnis gibt, kann das für sie der Weg zum Ausstieg sein. Ein Beispiel: Wir sind viel mit der Wandermuttergottes unterwegs. Die Leute, die da von Tür zu Tür gehen, geraten in die unterschiedlichsten Situationen. Und so klopft eine Bekannte an einer Tür. Sie geht auf. Die Wohnung alles in schwarz. Satanistische und Hexensymbole, Literatur von Aleister Crowley. Aber die Frau ist erfreut, daß die Muttergottes kommt. Sie paßt gut in dieses Pantheon. Nach und nach versucht die Frau der Gastgeberin zu erklären, daß es da einen Widerspruch gibt. Und so ergibt sich ein fruchtbares Gespräch, das schließlich dazu führt, daß die Frau aus ihrem okkulten Dschungel herausfindet.

 

Wirkt das dann befreiend?
P. Pilar:
 Wer da herausfindet, sagt sich meist: Wie konnte ich nur? Bei der Frau, von der ich erzählt habe, war es ein Weg des Nachdenkens, das durch die Begegnung mit einem Zeugen für Christus ausgelöst wurde. Wer auf okkulten Wegen, etwa des Spiritismus oder von Reiki unterwegs war, bedarf dann oft des Dienstes der Befreiung, durch den er erlösend erfährt, daß Christus stärker ist als die Mächte der Welt, die die Seele durchaus belasten können.

 

Weite Kreise in der Kirche sehen einen solchen Dienst der Befreiung als suspekt an…
P. Pilar:
 Hier in Österreich, ja – aber nicht in der Weltkirche. Selbstverständlich muß man mit dem Thema sehr sensibel umgeben. Auch wenn da viel Schindluder getrieben wurde – selbsternannte Exorzisten haben da sicher geschadet –, müssen wir uns doch der Tatsache stellen, daß sich heute viele Menschen auf Geister und die Geisterwelt einlassen, was selbstverständlich Konsequenzen hat. Sicher findet da manches auch nur rein auf der psychologischen Ebene statt, aber sehr oft ist auch der Priester gefragt. Er sollte dieser Herausforderung dann auch gewachsen sind. Es geht darum, die Leute einerseits ernstzunehmen, andererseits das Problem nicht aufzublasen. Man muß die Leute anhören, erkennen, was passiert ist und mit einer guten Katechese aus dem Dschungel herausführen. Heilungsdienst ist ja nicht Exorzismus à la Film „Der Exorzist“! Es geht vor allem um Trost und Katechese. Viel Befreiung geschieht durch die gesunde Lehre und den sakramentalen Dienst der Kirche.

 

Reden wir noch über die Prävention. Was muß geschehen, damit nicht so viele Leute aufs Glatteis geraten?
P. Pilar:
 Viele Christen wissen überhaupt nicht mehr, was der christliche Glaube besagt. Ich denke da an die Begegnung mit der Pfarrersköchin einer Pfarre, in der ich vor Jahren übernachtet habe. Sie erklärte mir treuherzig, daß sie an die Reinkarnation glaube. Das komme ihr logischer vor als die Auferstehung. Eine Frau, die jeden Sonntag in die Kirche geht, zu Ostern die Auferstehung mitfeiert! Es fehlt einfach an der Katechese. Würde man die Meßbesucher am Sonntag über ihren Glauben befragen, würde man wohl auf große Lücken stoßen.

 

Was wäre also zu tun?
P. Pilar
: Bei jeder Sonntagsmesse ist Gelegenheit für Katechese, eine gute Auslegung der Heiligen Schrift. Darüberhinaus braucht es zusätzliche Glaubensvertiefung in den Pfarrgemeinden. Man muß bei denen anfangen, die noch da sind. Ihnen helfen, den Glauben zu reflektieren. Vor 40 Jahren hat Kardinal Ratzinger darüber geschrieben. Schon damals war den Menschen auf erschreckende Weise das Glaubenswissen abhanden gekommen. Ergänzend sei gesagt: Glaubenswissen allein genügt nicht, es bedarf auch einer Begegnung mit Jesus. Aber das Wissen ist sehr wichtig, sonst ist man für Verwirrung anfällig.

Und welche Bedeutung hat das Zeugnis der Christen?
P. Pilar:
 Durch unser Leben sollte verständlich werden, wer und wie Christus ist. Das sollte auch unsere Gemeinschaften prägen. Manche der religiösen Vagabunden, die alles abgeklappert hatten, haben mir nach ihrer Bekehrung gesagt: Warum mußten wir euch so lange suchen? Warum seid ihr so schwer zu finden? Sich als Christ zu outen, ist nicht „in“. Aber genau das braucht es heute. Erkennbar zu machen, daß wir an Jesus glauben, der uns erlöst hat, der uns auch in unserer Begrenztheit annimmt.

 

Bedarf es nicht auch einer Rückbesinnung auf die Tatsache, daß Christ zu sein, nicht Zugehörigkeit zu einer Religion unter vielen ist, sondern Nachfolge Christi, der der Weg, die Wahrheit und das Leben ist?
P. Pilar:
 Das Wissen, daß es keinen anderen Weg zum Vater gibt als Jesus Christus, ist wahrscheinlich nicht sehr weit verbreitet. Denn unser postmodernes Denken ruht auf der Vorstellung, die Wahrheit sei nicht erkennbar und jeder müsse den Weg finden, den er für richtig hält. Wir Christen dürfen uns nicht damit begnügen, in Jesus einen Lehrer unter vielen anderen zu sehen. Er ist das Ziel, bei dem wir ankommen sollen. Der Getaufte ist angekommen.

 

P. Clemens Pilar COP ist Generalsekretär des Kalasantinerordens in Wien und Autor von Yoga Astro Globuli – Christlicher Glaube & Alltags-Esoterik (St. Ulrich Verlag 2009). 

 

 

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